25 Jahre göDru – das ist älter als viele der Aktivist*innen jetzt sind. Ziemlich beeindruckend.

Das Juzi ist mit fast 35 Jahren sogar noch älter, aber die göDru hat wesentliche Teile unserer Aktivitäten begleitet. Für die Jüngeren im Juzi spielt die göDru eine sehr untergeordnete Rolle – höchstens noch als Terminhinweisblatt. Für die Älteren sind die Anfänge und die Weiterentwicklung der göDru ein Teil ihrer eigenen Geschichte. Auch Kritik am Juzi (wie Mackerverhalten auf Konzerten, Inhalte von Plakaten) wurde in der göDru diskutiert.

Alles begann zu einer Zeit, die so deutlich anders war als heute: die Kriegslügen im Irak-Krieg ließen sich nicht per Internet, Twitter, Skype, Mailinglisten oder YouTube entlarven. Da das erste Opfer des Krieges stets die Wahrheit ist, fingen unter anderem in Göttingen einige Kriegsgegner*innen damit an, Fakten so gut wie möglich zu recherchieren und als Papierausdrucke auf Stellwänden öffentlich zu machen. Dabei kamen so viele erschütternde Leidensgeschichten und abweichende Informationen aus den Kriegsgebieten zusammen, dass die Idee entstand, eine kleine Zeitung zusammen zu stellen, die breiter in Imbissen, Kneipen und Buchläden verteilt wurde, ohne dass jede*r an den Stellwänden vorbeischauen musste.

Niemand hätte damals gedacht, dass diese kleine Stück Gegenöffentlichkeit 25 Jahre überstehen würde. Die göDru hat viele wichtige Gegeninformationen geliefert: zur Lage der Flüchtlinge in Kriegsgebieten, zur Logik von Militarisierung und Krieg, zu sozialen Kürzungen, FLTI-Aktionen, Hausbesetzungen, Repression, Anti-Atom-Aktionen, Angriffen von Neo-Nazis, zu vielfältigen Aktionen in Göttingen und darüber hinaus.

Es gab Highlights wie die Sonderausgaben zur jeweils 100. bis 600. Ausgabe, gegen Homophobie (Nr. 234) und schließlich die Sonderausgabe (Nr. 679) beim 20jährigen Jubiläum zur kritischen Reflexion von Sinn und Unsinn einer Gegenöffentlichkeit auf Papier in einer Zeit, in der mit Internet, Twitter und massenhaften Blogs schnellere Informationsquellen zur Verfügung stehen.

Bleibende Herausforderungen im Laufe der Jahrzehnte waren die Schwierigkeit, Fakten abzuwägen und dabei jene, die Informationen liefern und aufbereiten, zu schützen: Wie lässt sich überhaupt realitätsnah berichten, wenn alle Konfliktparteien die Informationen in ihrem Sinne aufbereiten? Nur einen Teil der Wahrheit zu verbreiten, ermöglicht es den Kriegsparteien, Einschätzungen zu manipulieren und Akzeptanz bei ihren Zielgruppen zu schaffen. Drastisch erlebten wir dies, als NATO und USA ihre Strategie änderten, indem sie beim folgenden Irak-Krieg statt Informationen zu blockieren gezielt Informationen über einen angeblich sauberen, rein technisch geführten Krieg durch einbezogene Journalist*innen verbreiten ließen. Zwischen Siegesfeiern mit Truthahn und klinisch sauberen Zielkreuzen auf Bildschirmen wurde es erneut schwierig, zu berichten was vor Ort geschieht, wie es der Zivilbevölkerung ergeht und wer von den Kriegen profitiert. Eine Vielzahl von Berichterstatter*innen vor Ort z.B. im sog. Arabischen Frühling machten das Bild etwas kompletter – die Recherchen wurden durch soziale Medien leichter, schneller und vielfältiger. Die Abwägung und Verbreitung wurde aber nicht einfacher: Es gab statt zu wenige auf einmal zu viele und dabei oft professionell manipulierte Informationen. Ein langsames Papiermedium wie die göDru konnte darauf nicht mehr reagieren: Bis die göDru gedruckt ist, gibt es längst hunderte neue Einschätzungen, die abgewogen werden müssen. Die göDru entwickelte sich daher von der einzigen Möglichkeit, im Irak-Krieg Informationen über die realen Opfer des Krieges zu verbreiten, zu einem ziemlich antiquierten Blatt, in dem Termine, Ankündigungen und erstaunlich oft doch auch Diskussionspapiere zu Antisemistismus in der Linken, zum Maskulinismus und Sexismus antifaschistischer Gruppen und Aktionen, zu Sinn und Ausdruckformen von Militanz, zu Kritischer Praxis und Kommunismus sowie anderen Themen veröffentlicht wurden. Diskussionen nahmen aber beständig ab, obwohl das Papiermedium gegenüber den Kommentarspalten im Internet zwei entscheidende Vorteile bietet: Erstens steigert gerade die Langsamkeit des Mediums die Chance, nochmal nachzudenken, zu recherchieren und sich um ein korrekt ausgeführtes Argument zu bemühen statt nur im Affekt im Internet vor sich hin zu pöbeln. Außerdem lassen sich die Debatten auf Papier später leichter wiederfinden. Der Infoladen im Juzi ist und bleibt auch für die göDru ein Ort der Archivierung linker Erfahrungen. Die göDru wird hier archiviert statt in den Weiten des Internets unterzugehen.

Gerade das Antiquierte der Papierzeitung bietet also auch Vorteile. Dies gilt vor allem auch für die zweite Herausforderung: der Schutz von Quellen und ihren Verbreiter*innen. Die göDru war von Anfang an ein Medium, das sich Zensur und Presserecht verweigert hat: es gab keine namentlich genannten Redakteur*innen. Das vermied selbstbezogene Profilierung und machte es den Repressionsbehörden schwerer, die Veröffentlichung unliebsamer Informationen zu unterbinden. In der göDru konnte eben auch über kritische Debatten zur Befreiung von politischen Gefangenen oder über Militanz und Staatsgewalt debattiert werden, ohne dass die Macher*innen befürchten mussten, dass der Staatsschutz morgens am Bett steht. Es gab Versuche, die göDru zu kriminalisieren, u.a. durch eine Razzia 1997, die sich gegen einen Artikel zu kreativen Aktionen gegen Castor-Transporte richtete. Die Verfahren gegen die acht Verfolgten mussten schließlich eingestellt werden. Eine direkte Repression wäre der Polizei bei einen online-Medium sehr viel leichter gefallen, wo es trotz Verschlüsselung (wenn die überhaupt vorhanden ist) immer über IP oder die Hardware möglich ist, Macher*innen und ihre Verbindungen zu finden, zu nutzen und zu kriminalisieren.

Wenn die göDru nun endet, ist das ein Zeitzeugnis, weil nach vielen Wiederaufbrüchen nun niemand mehr bereit ist, die Zeitung weiter zu füllen und zu verteilen. Der Sinn wird nicht mehr gesehen. Dennoch sollten wir das Know How, das dahintersteckt, bewahren: 25 Jahre ein klandestines, von den Nutzer*innen getragenes Medium der Gegenöffentlichkeit zu ermöglichen, das dauerhaft Informationen bereitstellt und dabei keine Spuren im Netz hinterlässt.

Danke also für diese Reise um die Welt und durch die kleine Stadt. Wir haben es genossen, wir haben Dich genutzt, gefüllt und oft beinah aufgegeben. Wir hoffen, dass die Zeiten nie so hart werden, dass wir Dich als analoges Medium wieder brauchen. Wir werden Dich vermutlich heutzutage nicht allzu sehr vermissen, aber hoffentlich auch nicht vergessen, wie wir es geschafft haben, ein marodes Schiff mit viel zu wenig Segler*innen, ohne Kapitän, Reeder und Schiffsaufsicht durch all die Stürme zu segeln.

Juzi